Die Eroberung der Wüste

26.03.2015

Für den heutigen Tag stand die Fahrt mit einem Hochgeschwindigkeitszug von Lanzhou in das mehr als 1.700 km entfernte Ürümqi an. Es handelt sich dabei um eine Neubaustrecke, die erst im November letzten Jahres eröffnet wurde. Alle Bahnhöfe entlang dieser Strecke sind daher ebenfalls neu mit Ausnahme von Ürümqi South, da der neue Bahnhof im Ergong-Distrikt noch nicht fertiggestellt ist. Zukunftsweisend hat man den Bahnhof Lanzhou mit ca. 20 Gleisen ausgestattet, wobei es momentan nur zwei tägliche durchgehende Züge nach Ürümqi gibt, weswegen die große Bahnhofshalle äußerst leer war und es massig freie Sitzplätze gab.

Die Strecke führt entlang des Hexi-Korridors von der Provinz Gansu in das Autonome Gebiet Xinjiang, ist die höchstgelegene Hochgeschwindigkeitsstrecke der Welt und zählt zu den modernsten Trassen Chinas … sollte man meinen. Zumindest Richard kamen bei den ständigen Rucklern aber ernsthafte Zweifel an der Bauqualität. Hier muss erwähnt werden, dass die Strecke zwar für 350 km/h ausgelegt ist, momentan im Betrieb aber nur maximal 200 km/h gefahren werden dürfen. Auch die Chinesen sind sich damit wohl noch nicht ganz sicher. Die geringe Geschwindigkeit hatte eine Fahrzeit von 11:42h zur Folge, die wir in einer nicht ganz angenehmen 3-2-Sitzkonfiguration (bei Normalspur…) zurücklegten. Zudem war der Zug so voll, dass sogar Stehplätze verkauft wurden.

Mit was verbringt man so eine Fahrt? In erster Linie mit Essen, weil die Wüstenlandschaft vor dem Fenster doch relativ schnell an Spannung verliert. Nur gelegentlich wurden Fotos geschossen, wenn es mal wieder durch eine Mondlandschaft ging oder wenn am Horizont zufällig ein paar schneebedeckte Gebirgszüge aufragten. Neben dem Essen konnte man natürlich auch spielen. Nachdem wir das Reisemonopoly irgendwann aufgaben, weil der Zug einfach zu unruhig fuhr, kam unser Mau-Mau-Spiel auch bei zwei interessierten Chinesen hinter uns ganz gut an. Kurzerhand erklärte Xu ihnen die Regeln auf Chinesisch und wir konnten ein paar internationale Runden spielen, während es draußen langsam dämmerte.

In Ürümqi kamen wir wegen hoher Windgeschwindigkeiten (sicherheitshalber noch geringere Geschwindigkeiten als eh schon…) leicht verspätet an. Vor der Hauptstadt Xinjiangs hatten wir bereits im Vorfeld einigen Respekt, gab es doch bspw. letztes Jahr einen Anschlag auf den hiesigen Hauptbahnhof (der jetzige Südbahnhof). Entsprechend begrüßten uns vor dem Bahnhof Soldaten mit Maschinengewehren und viel Polizei. Dieses Bild sollte sich in den nächsten Tagen noch in der ganzen Stadt fortsetzen. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass die Neubaustrecke von Lanzhou für die chinesische Regierung im Zuge des wirtschaftlichen Ausbaus im Westen auch einen hohen politischen Stellenwert hat. Es dauerte etwas, bis wir, aufgeteilt in zwei Taxis, das Hotel in einer Seitengasse fanden, aber schließlich kamen alle spätabends dort an. Die Zimmer waren eher von mittlerer Qualität, aber dafür überraschte uns das Hotel mit dem schnellsten Internet, das wir bis dato in China kannten.

Yannic

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